Freitag, 21. August 2015

Plädoyer für (mehr) Print im Marketing.



Plädoyer für (mehr) Print im Marketing: Wertschöpfung durch Wertschätzung


Menschen statt Märkte: Marketing kann nur erfolgreich sein, wenn es den Einzelnen mit  wirklich relevanten Inhalten ins Visier nimmt. Wenn Dialoge nicht nur online, sondern auch via Print inszeniert werden. Und wenn Menschen teilhaben an authentischen Leistungen, Gefühlen und Erlebnissen.


// Kein Mensch bestreitet, dass sich unser Leben in die digitale Welt verlagert.  Denn Megatrends sind wie Lawinen in Zeitlupe. Sie reissen alles mit und ihre Konsistenz weist eine Haltbarkeit von 30 bis 50 Jahren auf. In Deutschland und der Schweiz sind 90% der Bevölkerung online. Die Hälfte davon shoppt im Netz. Die meisten starten über Google ins Web. Und die Unternehmen stecken in immer mehr in Online-Werbung.

// Also alles Online? Der Enthusiasmus für das Neue ist verständlich. Aber die Sichtweise einseitig, weil es sich um ein quantenoptisches Phänomen handelt: den Tunnelblick. Dieses Wahrnehmungs-Defizit registriert man heute nicht nur bei Markenartiklern. Das digitale Virus hat auch gestandene Direktwerber befallen,  die traditionell auf Katalog und Mailing fixiert waren. Aber selbst diese Dinos sind heute so in die virale Welt eingetaucht, dass viele von ihnen Phantomschmerzen empfinden, wenn sie einmal offline sind. Das ist fatal. Denn auch die neue Welt hat sowohl eine Online- als auch eine Offline-Hemisphäre.

// Natürlich muss die Wirtschaft auf das veränderte Einkaufsverhalten reagieren. Aber ist die Richtung, in die jetzt alle laufen, wirklich die richtige? Ist es nicht eine Banalisierung der Werbewirkung, wenn Controller nur die Werbekontakte zählen, die im Internet so viel günstiger sind, als in den traditionellen Medien? Ist es nicht eine Milchmädchenrechnung, wenn die Digitalvermarkter mit immer höheren Rabatten locken, während an der Preisschraube für Mailings kaum mehr zu drehen ist? 

DER KLEBSTOFF ZUM KUNDEN MUSS BREITER AUFGETRAGEN WERDEN. DAS INTERNET REICHT NICHT, UM IHM AUF DEN FERSEN ZU BLEIBEN

// Ich habe das Gefühl: Es ist fünf vor zwölf für die Einsicht, dass wir nicht nur den virtuellen Optionen nachjagen, sondern auch die klassischen Dialogtools wieder nutzen sollten. Denn der Klebstoff zum Kunden muss breiter aufgetragen werden. Das Internet reicht nicht, um ihm auf den Fersen zu bleiben. Nicht nur, weil es kein Emotionalisierungsmedium ist, sondern auch, weil vier Punkte absehbar sind. Erstens: Dass wir es erst mit 30 Prozent digitalen Souveränen zu tun haben, 60 Prozent sind immer noch Gelegenheitsnutzer. Zweitens, dass die Disziplinierungs-Ideologie der Politik auch die Wachstumsdynamik der Online-Medien jederzeit per Gesetz abbremsen kann. Drittens, dass die traditionellen Tools automatisch attraktiver werden, sobald Online-Werbung teurer wird. Und viertens, dass die Resultate keineswegs nur für Online sprechen. Denn minimale Kontaktkosten sind nicht alles.

// Das ist kein Plädoyer zu Gunsten digitaler Ausseinseiter und notorischer Kulturpessimisten. Mir geht es nur um Argumente, warum intelligente Multi-Channel-Kommunikation E-Mail, Telefon, Social-Media und Print parallel nutzt und sich der jeweiligen Stärken bedient. Denn im Marketing können wir uns keine Glaubenskriege mehr leisten. Und das bedeutet: Die Bereitstellung verschiedener Kommunikations- und Vertriebswege mit entsprechenden Touchpoints ist der einzig plausible Ansatz, um Menschen zu erreichen. Und dazu brauchen wir sämtliche Werbekanäle mit Zugang zum Kunden. Also auch Print. Und mit Print meine ich alle dialogfähigen Medien und Werbemittel. Von Couponanzeige und Beilage über Streuprospekte bis zu Postkarten, Mailings und Katalogen.

36 PROZENT WERBUNGTREIBENDE SIND ÜBERZEUGT, DASS DIE BEDEUTUNG DES WERBEBRIEFS WIEDER ZUNIMMT

// In einer in Deutschland durchgeführten Umfrage von TNS Emnid war zu lesen, dass 36 Prozent Werbungtreibende überzeugt sind, dass die Bedeutung des Werbebriefs wieder zunimmt. Angesichts der Internet-Euphorie erstaunt dieses Bekenntnis. Andererseits ist vorstellbar, dass sich das Mailing tatsächlich als Alternative zur Öffentlichkeit der Netzwerke positioniert. Als Unterschied zwischen standardisiertem Kundenkontakt und spürbarer Wertschätzung. Denn es scheint, als steuerten wir auf ein System der geteilten Aufmerksamkeit zu. Hier der Konsumtypus, der sich mit Info-Snacks begnügt, die auf ein T-Shirt passen. Auf der anderen Seite Verbraucher, die Zeit aufwenden, bewusst aufnehmen und selbst für Werbung längere Intervalle zur Verfügung haben.

// Print ist wertig und daher optimal geeignet, Bezugssysteme herzustellen, um ergänzend zur Flüchtigkeit der Online-Medien langfristige Interessengemeinschaften zwischen Anbieter und Kunde zu schaffen. Und selbst wenn es so sein sollte, dass wir in Zukunft  weniger physische Post bekommen, weil immer mehr Regelkommunikation ins Internet abwandert, wird das Brief und Mailing qualitativ nur noch mehr aufwerten. Vor allem bei Hochpreisprodukten. Und im Bereich BtoB, wo es noch mehr auf hochwertige Inhalte ankommt, als auf Funktionalitäten. Nicht schneller wissen, sondern intensiver erleben. Über Haptik, Inspiration und die Emotion guter Geschichten. Denn Kunden kaufen immer weniger „solutions to a problem“, aber immer mehr „good feeling“. Und bezahlen für Emotionen mehr, als für Rabattangebote. Denn die Generation Kuschel will sinnliche Momente erleben und die Erosion familiärer und gesellschaftlicher Sicherheiten durch harmonische Bindungs-Biotope kompensieren.  

DAS MAILING ALS UNTERSCHIED ZWISCHEN STANDARDISIERTEM KUNDENNKONTAKT UND  WERTSCHÄTZUNG

// Es ist und bleibt  ein qualitativer Unterschied, ob ich eine Einladung zur Vernissage zwischen einem Viagra-Mail und dem Newsletter eines Fitness-Studios erhalt oder per Post auf Büttenpapier. Es hat eine andere emotionale Qualität, wenn mir das SOS-Kinderdorf den handschriftlichen Brief meines Patenkindes aus Ruanda mit Fotos von ihrem ersten Schultag weiterleitet, als wenn ich eine Mitteilung per Mail erhalte.

// Die Unternehmen müssen sich auch von dem Irrglauben verabschieden, dass Mailings nur dazu da sind, Käufe zu generieren und  Cross- und Up-Selling zu realisieren. Das Mailing der Zukunft wird mehr sein als ein Response-Generator. Seine Kraft wird im Sowohl-als-auch bestehen: Sowohl Verhalten auszulösen, als auch Image zu bilden. Viele wissen, wie positiv Kunden reagieren, wenn man eine Danke-Aktion per Postkarte oder Brief lanciert.  Eine Aktion, bei der man einmal nichts verkauft, sondern dem Kunden nur für seine Treue dankt. Danke – es ist erstaunlich, wie gross die Wirkung dieses kleinen Wortes sein kann.

// Wer glaubt, das würde sowieso alles in den Papierkorb wandern, muss sich eines Besseren belehren lassen: Ein Teil der adressierten Werbung – rund 17 % – wird tatsächlich direkt entsorgt. 26 % wird grob überflogen, 30 % quergelesen und immerhin 27 % vollständig gelesen. Das ist - im Vergleich zum Internet - sehr viel. Denn eines sollte man bedenken: Die gesamte Wahrnehmung des Menschen wird durch Sinnessysteme kanalisiert. Online-Medien können von fünf Sinnen nur zwei bedienen. Das Mailing ist in der Lage, alle fünf Sinne zu bedienen. Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken, Riechen: das sind Schüsse, die direkt ins Gehirn gehen und dort auf einer Art Sinnesrecorder aufgenommen und abgespeichert werden.

DIE LESER VON PRINT GEHEN MIT TEXTEN ANDERS UM, ALS DIE NUTZER DES INTERNETS, DIE TEXTE NUR SCANNEN

// Und noch etwas ist wichtig: Die Leser von Print gehen mit Texten anders um, als die Nutzer des Internets. Die Lesegeschwindigkeit von Papiertexten ist um 25-30 Prozent höher, als von Bildschirmtexten. Texte im Internet werden oft überhaupt nicht gelesen, sondern lediglich gescannt. Und die Wahrnehmung reduziert sich nur auf wenige Satzfragmente.

// Ich will damit nicht den Eindruck erwecken, es ginge an der Verkaufsfront um Print oder Online. Es geht um Print plus Online und um hybride Werbeformen,  die Prospekt, Mailing und Internet, die On- und Offline verzahnen. Schnell beim Kunden sein. Im richtigen Moment hin und zurück. Mit QR-Codes, die das lästige Abtippen ersparen. Mit Augmented Reality, um gedruckte Inhalte in Bewegung zu setzen. Oder mit der Personal Url, die der Kunde per Postkarte erhält und die ihn auf eine personalisierte Homepage mit Rückmeldung an den Verkäufer führt.

// Und wenn man Print als Verbindungsglied zur Onlinewelt einsetzt, hat selbst der tot geglaubte Massenversand noch Zukunft. Vielleicht liegt hier sogar der Schlüssel zu einer ökonomischen Maximierung der One-to-One-Formel. Denn Werbung wird besonders effizient, wenn sie sich verselbstständigt und dem One-to-Some Prinzip der Nachrichtenverbreitung folgt. Und die Inszenierung eines Schwarms zeigt erst, welches Potenzial in den Menschen, derBranche, den Medien und dem Markt steckt. Man braucht nur an Street Parades zu denken, an Fussballstadien und Fanzonen. All das belegt, dass nicht nur Bienen und Zugvögel, sondern auch Menschen in Schwärmen denken und sich Schwarmtrends anschliessen können. Und wenn man jetzt hunderttausend Hundebesitzer nimmt, ist das zunächst lediglich eine statistische Grösse. Aber hunderttausend Hundebesitzer per Mailing auf die Homepage des Futterherstellers dirigiert, eingeloggt und mit dem Callcenter verknüpft - so könnten interaktive Marktplätze in Zukunft funktionieren.

WER NACHHALTIGE WIRKUNG ERZEUGTEN WILL, BRAUCHT RELEVANTE INHALTE UND PERSONALISIERTE KOMMUNI-KATION

// Es muss auch bei der Erstansprache nicht partout alles personalisiert sein. Ich sehe keinen tieferen Sinn in der Personalisierung eines Gutscheins, den man mir auf dem Flug nach London in die Hand drückt, damit ich am Heathrow Airport einen SIXT-Mietwagen mit 10 Prozent anmieten kann.Und ich reagiere immer ausgesprochen erleichtert auf die Feststellung, dass die Probepackung Hakle-Feuchttüchter, die ab und zu  in meinem Briefkasten landet, nicht personalisiert wurde. Trotzdem müssen wir uns natürlich über das Marketing-Credo der Zukunft im Klaren sein: Wer machhaltige Wirkung erzeugen will, muss personalisierte (Dialog-) Kommunikation einsetzen und Marken über Primärerfahrungen erlebbar machen. Muss gute Gefühle vermitteln. Keinen Geiz. Keinen Neid. Keine Trübsal. Werbung muss den Menschen Lust machen,  wieder das Lachen zulassen und Leidenschaften wecken. Vorzugsweise in ganzen Sätzen. Und nicht im Esperanto der virtuellen Welt, wo viele sich so cool verständigen, als könnten sie zwischen den Abkürzungen noch Eiswürfel spucken.

Der US Postal Service hat vom Center for Neural Decision Making der Temple University untersuchen lassen, wie Kunden auf physische bzw. digitale Werbemittel reagieren. Mit unterschiedlichen Ergebnissen, je nachdem, um welches Marketingziel es geht.
Geht es um Aufmerksamkeit, liegen die digitalen Werbemittel vorne. Die Konsumenten verarbeiten diese schneller. Mit physischer Werbung beschäftigen sie sich allerdings länger. In Sachen Engagement liegen beide Kanäle laut Studie gleichauf. Emotionaler reagieren Kunden, wenn sie sich mit physischen Werbemitteln beschäftigen. Bei der Werbeerinnerung zeigt sich ein differenziertes Bild: Den Inhalt und den Absender vermitteln sowohl physische als auch digitale Werbeträger gleich gut, schneller geht es allerdings bei physischen Reizen. In Sachen Kaufbereitschaft zeigten beide Kanäle eine ähnliche Wirkung. Ein unterbewusstes Verlangen nach einem Produkt oder Service lösen vor allem physische Werbemittel aus; zudem vermitteln sie einen höheren Wert.

Autor: Friedhelm Lammoth © 2015 Lammoth Mailkonzept // CH-St. Gallen // Foto: Fotolia - frender

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