Freitag, 20. Januar 2017

Braucht die Welt Kreativpreise?



Narziss küsst Goldmund: Braucht die Welt Kreativpreise?

>> Seit die Werbung vom Virus der Effizienz befallen ist, hat sich die Balance der Erwartungen geändert: Die Unternehmen wollen mit ihren Werbegeldern nicht mehr die Sterne vom Himmel holen, sondern Wirkung erzielen. Sie misstrauen den Agenturen, die sich gegenseitig mit Lametta auszeichnen. Und lassen sich immer weniger von der Korona der Kreativität blenden. Trotzdem gibt es auch noch gute Argumente für Kreativpreise. Effizienz hin, Effizienz her.

>> Der russische Physiologe Iwan Petrowitsch Pawlow experimentierte vor hundert Jahren mit Hunden, denen er Futter zeigte, was er vorher durch Klingeln an einer Glocke ankündigte. Nach wenigen Versuchen lief den Hunden schon das Wasser aus dem Maul, sobald die Glocke läutete. Sie verknüpften diese Töne mit dem Futter. Das war die wissenschaftliche Begründung eines alten Geheimnisses: dem des Belohnungssystems.

>> Böse Zungen behaupten, heute hätte Pawlow sein Experiment genau so gut mit Werbern und Kreativpreisen machen können. Denn längst stimmt nicht mehr, was der Schriftsteller Raymond Chandler einst vermutete - dass Schachspieler und Werber die Gemeinsamkeit hätten, ihr Talent sinnlos zu vergeuden. Richtig scheint eher, was der St. Galler Kommunikationswissenschaftler Peter Glotz in einer seiner letzten Kolumnen für die Schweizer Werbewoche orakelte "...dass es im Metamarkt der Kommunikation immer zwei gibt, die sich gut verkaufen wollen: Die Produkte und ihre Hersteller. Und die Werber, die Emotionalisieret, die sich häufig vom Interesse ihrer Kunden lösen und l'art pour l'art machen, um Kreativpreise zu gewinnen ..." (Womit Glotz sinngemäss unterstellt, dass die Werber diejenigen sind, die sich den Bären unter den Nagel reissen, den sie vorher den Unternehmen aufgebunden haben).


Gold und Silber: Kreativpreise wecken Begehrlichkeiten


>> Der Run auf die knapp 50 weltweit wichtigen und insgesamt über 300 nationalen und internationalen Wettbewerbe ist auf jeden Fall ein Phänomen. Als Lourdes der Kreativen ist Cannes nicht nur eine Stadt an der Côte d'Azur, sondern ein Wallfahrtsort. Von ADC-Würfeln in Carrara-Marmor über Cannes Lions, Effie, Venus, CLIO Epica-Pyramiden und Excellence-Awards bis zu kaukasischen Werbebären - die Anziehungskraft der Kreativpreise scheint magisch. Die Kampagneros honorieren das, indem sie sich die Teilnahme an den Wettbewerben der Eitelkeit viel kosten lassen. Die Wettbewerbsausrichter machen keinen Hehl mehr aus der angestrebten Gewinnmaximierung, zumal sie in vielen Fällen Teil des Konzepts ist. Und die Auftraggeber spekulieren zumindest darauf, dass nach dem Ruhm auch ihre Rechnung aufgeht.

>> Selbst wem Goldene Löwen und Nägel zu hoch hängen, muss heute nicht mehr drängeln, um eine Trophäe aus Edelmetall zu ergattern. Denn seit dem Online-Zeitalter hat sich die Zahl der Preise und Kategorien inflationär entwickelt. Und alle sind mit im Boot: Nicht einmal Österreichs Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft lässt es sich nehmen, die Kreativen der Alpenrepublik jedes Jahr mit einem Staatspreis (sic!) für Werbung zu adeln. 

>> Während der B2B-Marketing-Award mit "Be Bold, Be Brillant. Be the Best" nach New Orleans lockt und selbst der Europäische Fussball Verband UEFA Marketing Awards ausschreibt, winden auch vermeintliche Werbeprovinzen wie Aachen, Mannheim, Leipzig, Dresden etc. ihren kreativen Platzhirschen güldene Kränzchen. Im Internet finden sich immer mehr Unternehmensberatungen, die gegen entsprechendes Entgelt analysieren, welche Marketingmassnahmen das Zeug für einen Award haben. Und die sich anbieten, den Agenturen mit einer Gewinnstrategie auf die Sprünge zu helfen, die nicht von Michelangelos Finger gestupst sind.


Werber im Spagat zwischen Kreativität und Effizienz


>> Seit die Kampagnen nicht mehr per se mit Preisen überhäuft werden, ohne dass auch nur der geringste Nachweis für Verkaufserfolge erbracht wurde, sind die Kritiker der Kreativpreise stiller geworden. Natürlich muss sich die verdutzte Öffentlichkeit immer noch mit dem Phänomen auseinandersetzen, dass sich die Zahl der Agenturen, die Kreativpreise sammeln wie notorische Falschparker Strafzettel, auf ein halbes Dutzend beschränkt. 

>> Andererseits haben die Werber den Spagat zwischen Effizienz und Kreativität vollzogen. Und 2000 Jahre nach Ovid das Schicksal des Narziss verinnerlicht, der sich in sein Spiegelbild verliebt und ertrinkt, weil er nicht erkennt, dass es sein eigenes ist. Es ist kein Tabu mehr, Kreativität kritisch zu hinterfragen. Denn mit dem Internet hat Kreativität den Anspruch aufgegeben, den Menschen nur Schmetterlinge in den Bauch zu zaubern und alleiniger Massstab der Werbung zu sein. Werber sind weder Soziologen noch Literaten, weder Philosophen noch Religionsstifter. Und was sie tun, eignet sich kaum zum Vehikel für ideologische oder künstlerische Sentenzen.

>> Aber während die meisten Kreativen die Heiligenscheine abgelegt und ihre Lektion gelernt haben, werden die immer lauter, die glauben, Effizienz sei unter Ausschaltung jeglicher Kreativität möglich - auf direktem Wege. Solche Ansichten fallen auf fruchtbaren Boden, seit sich die Wirtschaft nicht mehr mit klassischen Werbezielen zufrieden gibt und die Input-Output-Relationen ständig optimiert. Seit die Zahl der Marketingvorstände in den Unternehmen abgenommen hat und der Vertrieb alles dominiert. Und seit das Marketing dazu degradiert ist, in erster Linie den Abverkauf zu unterstützen.


Effizienz pur: Die Aldisierung der Werbung


 >> Effizienz ist nicht der einzige Massstab, an dem sich Werbung zu messen hat. Das haben schon Heribert Meffert an der HHL und Heinz Weinhold an der Universität St. Gallen jahrelang zum Thema Käufermarkt gepredigt. Aber offenbar hat ihnen kein Mensch zugehört: Weil der klassische Werbeablauf im digitalen Tempodrom nicht mehr funktioniert, setzen immer mehr Unternehmen auf kurzfristige Verkaufsmassnahmen, um ihre Ware über Preisnachlässe in den Markt zu drücken. Und die Aufgabe der Marketer beschränkt sich darauf, bunte Pappen für den Point of Sales zu liefern, das Suchmaschinenmarketing zu optimieren und über Algorithmen zu sinnieren.

>> Von marktorientierter Unternehmensführung kann unter diesen Umständen kaum die Rede sein. Und das System der Kurzfristigkeit fördert nicht nur den ökonomischen Opportunismus, sondern spült auch die falschen Leute an die Spitze. Wenn Marketing und Werbung aber nur noch eine Sache von Vertriebsleuten und Agentur-Controllern statt Chefsache ist, droht die Aldisierung der Kommunikation. Keyword-Advertisig als Königsdisziplin. Mit der Konsequenz, dass Markenguthaben aufs Spiel gesetzt werden.


Unberechenbar: ZICK machen, wenn alle ZACK machen


>> Das ist kein Plädoyer gegen Effizienz und Messbarkeit. Aber eine Warnung davor, jede Kriechspur des Kunden  in den elektronischen Medien bis an dessen jüngsten Tag zu verfolgen, um seine Konsumenten-DNA zu entschlüsseln und ihn als Verbraucher von Kopf bis Fuss zu vermessen.

>> Der unberechenbare Kunde bleibt auch in Zukunft der Alptraum der Marktforschung, weil er viele Gesichter und viele Leben hat. Und Werbung wird nie eine exakte Wissenschaft mit festen Wenn-Dann-Regeln. Im übrigen lehrt die Erfahrung des Dialogmarketing, dass es nicht darauf ankommt, möglichst viele Daten über eine Person/Zielgruppe zu sammeln, sondern nur wirklich relevante Informationen. Und belegt, dass man vieles messen, aber nicht alle Resultate nutzen kann. Erst recht, weil wir nicht mehr eindimensional vorgehen können, sondern die Menschen überraschen und ZICK machen müssen, wenn alle anderen ZACK machen.

>> Die Geschichte von Kreativität und Effizienz erinnert stark an die Gesetzmässigkeit von Billardkugeln, die V-förmig auseinanderdriften, um sich später wiederzufinden. Wir brauchen beides. Und kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Wie beim Dialogmarketing, der Leitwährung für kreative Effizienz. Denn Dialogmarketing ist nicht nur Versprechen, Geheimnis, Verführung, Mythos und der Versuch, das auszulösen, was die Griechen Heureka nannten. Sondern ist auch eine effiziente Leistung, die den Gesetzen des Marktes standhält. Indem sie nicht nur berührt, sondern auch miobilisiert und zu Handlungen verführt, von denen man Sekunden vorher nicht einmal geträumt hat.


Ohne Preise wäre Werbung ein anonymes Geschäft


>> Trotzdem gibt es auch handfeste Argumente für Kreativpreise. Es tut Agenturen und Unternehmen gut, sich an nationalen und internationalen Wettbewerben zu beteiligen. Die Vorteile liegen im effektiven Benchmarketing, der Mitarbeitermotivation, der Effizienzsteigerung und der eigenen Positionsbestimmung. Man weiss von Teams, die auf einen Wettbewerb hinarbeiten, dass sie hochmotiviert zu Werk gehen. Und dass durch den Vergleich mit anderen Wettbewerbern und der Analyse von Gewinnerkampagnen eine dynamische Lernkurve entsteht, von denen alle Beteiligten profitieren.

>> Ausserdem wäre das Business der Werbung ohne Wettbewerbe ein anonymes Geschäft. Jeder müsste glauben, dass alle nur mit Wasser kochen. Keiner könnte sehen, dass ein paar dabei sind, die Zugang zu Weihwasser haben. Und der permanente Nobody-Status gäbe keine Nahrung für Neid und Missgunst, die bösen Zungen zufolge unter Werbern die höchste Form der Anerkennung darstellen.

Schätze in der Tiefe der Nudelsuppe


>> Der gedankliche Dreisprung "kreativ ist gleich ausgezeichnet ist gleich effektiv" ist zu simpel und lässt sich oft genug widerlegen. Auf tönernen Füssen steht auch die Studie des britischen Agenturverbandes IPA, die allen mit Kreativpreisen ausgezeichneten Kampagnen eine elfmal höhere Effektivität attestiert, als nicht-kreativen Kampagnen. 

>>  Für die Jahrmärkte kreativer Eitelkeiten spricht allerdings  dass Kreativpreise die Wagenburgmentalität der Werbung aufsprengen und eine Kultur kreativer Effizienz etablieren. Dass sie der Werbung eines Plattform als Wirtschaftsfaktor und den Kreativen eine Lobby schaffen. Dass sie im Idealfall nicht die stromlinienförmigen Anpasser honorieren, die ihren Auftraggebern so tief in den Hintern kriechen, dass sie nie mehr herauskommen. Sondern die unberechenbaren Alphaltiere, die nie cool sind, sondern immer Feuer und Flamme. Die Stars aus der zweiten Reihe. Die Neinsager, die nicht barfuss über den Bodensee laufen können, aber dafür dass Leben jenseits der Werbung nie aus den Augen verlieren. Die nachts um drei unter dem Kopfsteinpflaster von Castrop-Rauxel das Mittelmeer rauschen hören. Und die genau wissen, welche Schätze in der Tiefe der Nudelsuppe lauern.

>> In "Why are you creative?" hat Deutschlands Kreativ-Guru Hermann Vaske anno 2000 auch Wayne Wang befragt und von dem Hollywood-Regisseur (Last Holiday) eine gezeichnete Antwort erhalten: Ein im Gesäss  steckendes Klistier zur Darmspülung. Verstehen wir dieses Bild als drastischen Hinweis darauf, wie schmal der Grat ist, der bei bestimmten Prozessen Scheisse und Gold voneinander trennt. Weil Werbung keine Wissenschaft ist, haftet ihr bei aller Kreativität, bei aller Effizienz auch immer etwas Unvollkommenes an. Kein Mensch weiss vorher, ob die Rechnung aufgeht. Damit bleibt Werbung für alle Beteiligten die Suche nach Perfektion, nach der Vollkommenheit von Idee und Umsetzung. Und insofern etwas ausgesprochen Menschliches.


PS: Die Löwen sind los - 2017 über 20 wichtige Awards


ADC Deutschland (10. bis 12. Mai, Hamburg)
ADC Schweiz (1. April, Zürich)

Best of Swiss Web Award (6. April, Zürich)

Client Award (16. Mai, München)
Clio Awards (28. September, New York)

D&AD Global Awards (25. bis 27. April, Shoreditch/London)
Deutscher Digital Award (27. April, Berlin)
Deutscher Mediapreis /21. Februar, München)
Deutscher Dialogmarketingpreis, 13. Mai, Berlin)
Die Klappe (14. September, Berlin)

Eurobest (Termin und Ort für 2017 noch offen)

Global Awards (25. bis 27. April, Shoreditch/London)

Lions Festival (17. bis 24. Juni, Cannes)
London International Awards (29. September bis 7. Oktober, London)

New York Festivals (18. Mai, New York)

One Show (8. bis 12. Mai, New York)

Radio Advertising Award (25. April, Düsseldorf)

Schweizer Dialogmarketingpreis (Juni, Zürich)
Swiss Award Corporate Communications (7. September, Zürich)
Swiss Effie Award (findet erst 2018 wieder statt)
Swiss Marketing Award (7. März, Luzern)
Spotlight Festival/Animated Com Award (4.bis 6. Mai, Stuttgart)

Tai Werbe Grand Prix (Mai 2017, Wien)
The Lovie Awards (September/Oktober, Wien)


Autor: Friedhelm Lammoth © 2017 Lammoth Mailkonzept
Foto Fotolia_Dirk Vaartjes

Kontakt > Friedhelm Lammoth - Lammoth Mailkonzept Werbeagentur - Kompetenz für Kommunikation - Rötelistrasse 16 - CH-9000 St. Gallen - f.lammoth@lammoth.ch - www.lammoth.ch

Freitag, 21. August 2015

Plädoyer für (mehr) Print im Marketing.



Plädoyer für (mehr) Print im Marketing: Wertschöpfung durch Wertschätzung


Menschen statt Märkte: Marketing kann nur erfolgreich sein, wenn es den Einzelnen mit  wirklich relevanten Inhalten ins Visier nimmt. Wenn Dialoge nicht nur online, sondern auch via Print inszeniert werden. Und wenn Menschen teilhaben an authentischen Leistungen, Gefühlen und Erlebnissen.


// Kein Mensch bestreitet, dass sich unser Leben in die digitale Welt verlagert.  Denn Megatrends sind wie Lawinen in Zeitlupe. Sie reissen alles mit und ihre Konsistenz weist eine Haltbarkeit von 30 bis 50 Jahren auf. In Deutschland und der Schweiz sind 90% der Bevölkerung online. Die Hälfte davon shoppt im Netz. Die meisten starten über Google ins Web. Und die Unternehmen stecken in immer mehr in Online-Werbung.

// Also alles Online? Der Enthusiasmus für das Neue ist verständlich. Aber die Sichtweise einseitig, weil es sich um ein quantenoptisches Phänomen handelt: den Tunnelblick. Dieses Wahrnehmungs-Defizit registriert man heute nicht nur bei Markenartiklern. Das digitale Virus hat auch gestandene Direktwerber befallen,  die traditionell auf Katalog und Mailing fixiert waren. Aber selbst diese Dinos sind heute so in die virale Welt eingetaucht, dass viele von ihnen Phantomschmerzen empfinden, wenn sie einmal offline sind. Das ist fatal. Denn auch die neue Welt hat sowohl eine Online- als auch eine Offline-Hemisphäre.

// Natürlich muss die Wirtschaft auf das veränderte Einkaufsverhalten reagieren. Aber ist die Richtung, in die jetzt alle laufen, wirklich die richtige? Ist es nicht eine Banalisierung der Werbewirkung, wenn Controller nur die Werbekontakte zählen, die im Internet so viel günstiger sind, als in den traditionellen Medien? Ist es nicht eine Milchmädchenrechnung, wenn die Digitalvermarkter mit immer höheren Rabatten locken, während an der Preisschraube für Mailings kaum mehr zu drehen ist? 

DER KLEBSTOFF ZUM KUNDEN MUSS BREITER AUFGETRAGEN WERDEN. DAS INTERNET REICHT NICHT, UM IHM AUF DEN FERSEN ZU BLEIBEN

// Ich habe das Gefühl: Es ist fünf vor zwölf für die Einsicht, dass wir nicht nur den virtuellen Optionen nachjagen, sondern auch die klassischen Dialogtools wieder nutzen sollten. Denn der Klebstoff zum Kunden muss breiter aufgetragen werden. Das Internet reicht nicht, um ihm auf den Fersen zu bleiben. Nicht nur, weil es kein Emotionalisierungsmedium ist, sondern auch, weil vier Punkte absehbar sind. Erstens: Dass wir es erst mit 30 Prozent digitalen Souveränen zu tun haben, 60 Prozent sind immer noch Gelegenheitsnutzer. Zweitens, dass die Disziplinierungs-Ideologie der Politik auch die Wachstumsdynamik der Online-Medien jederzeit per Gesetz abbremsen kann. Drittens, dass die traditionellen Tools automatisch attraktiver werden, sobald Online-Werbung teurer wird. Und viertens, dass die Resultate keineswegs nur für Online sprechen. Denn minimale Kontaktkosten sind nicht alles.

// Das ist kein Plädoyer zu Gunsten digitaler Ausseinseiter und notorischer Kulturpessimisten. Mir geht es nur um Argumente, warum intelligente Multi-Channel-Kommunikation E-Mail, Telefon, Social-Media und Print parallel nutzt und sich der jeweiligen Stärken bedient. Denn im Marketing können wir uns keine Glaubenskriege mehr leisten. Und das bedeutet: Die Bereitstellung verschiedener Kommunikations- und Vertriebswege mit entsprechenden Touchpoints ist der einzig plausible Ansatz, um Menschen zu erreichen. Und dazu brauchen wir sämtliche Werbekanäle mit Zugang zum Kunden. Also auch Print. Und mit Print meine ich alle dialogfähigen Medien und Werbemittel. Von Couponanzeige und Beilage über Streuprospekte bis zu Postkarten, Mailings und Katalogen.

36 PROZENT WERBUNGTREIBENDE SIND ÜBERZEUGT, DASS DIE BEDEUTUNG DES WERBEBRIEFS WIEDER ZUNIMMT

// In einer in Deutschland durchgeführten Umfrage von TNS Emnid war zu lesen, dass 36 Prozent Werbungtreibende überzeugt sind, dass die Bedeutung des Werbebriefs wieder zunimmt. Angesichts der Internet-Euphorie erstaunt dieses Bekenntnis. Andererseits ist vorstellbar, dass sich das Mailing tatsächlich als Alternative zur Öffentlichkeit der Netzwerke positioniert. Als Unterschied zwischen standardisiertem Kundenkontakt und spürbarer Wertschätzung. Denn es scheint, als steuerten wir auf ein System der geteilten Aufmerksamkeit zu. Hier der Konsumtypus, der sich mit Info-Snacks begnügt, die auf ein T-Shirt passen. Auf der anderen Seite Verbraucher, die Zeit aufwenden, bewusst aufnehmen und selbst für Werbung längere Intervalle zur Verfügung haben.

// Print ist wertig und daher optimal geeignet, Bezugssysteme herzustellen, um ergänzend zur Flüchtigkeit der Online-Medien langfristige Interessengemeinschaften zwischen Anbieter und Kunde zu schaffen. Und selbst wenn es so sein sollte, dass wir in Zukunft  weniger physische Post bekommen, weil immer mehr Regelkommunikation ins Internet abwandert, wird das Brief und Mailing qualitativ nur noch mehr aufwerten. Vor allem bei Hochpreisprodukten. Und im Bereich BtoB, wo es noch mehr auf hochwertige Inhalte ankommt, als auf Funktionalitäten. Nicht schneller wissen, sondern intensiver erleben. Über Haptik, Inspiration und die Emotion guter Geschichten. Denn Kunden kaufen immer weniger „solutions to a problem“, aber immer mehr „good feeling“. Und bezahlen für Emotionen mehr, als für Rabattangebote. Denn die Generation Kuschel will sinnliche Momente erleben und die Erosion familiärer und gesellschaftlicher Sicherheiten durch harmonische Bindungs-Biotope kompensieren.  

DAS MAILING ALS UNTERSCHIED ZWISCHEN STANDARDISIERTEM KUNDENNKONTAKT UND  WERTSCHÄTZUNG

// Es ist und bleibt  ein qualitativer Unterschied, ob ich eine Einladung zur Vernissage zwischen einem Viagra-Mail und dem Newsletter eines Fitness-Studios erhalt oder per Post auf Büttenpapier. Es hat eine andere emotionale Qualität, wenn mir das SOS-Kinderdorf den handschriftlichen Brief meines Patenkindes aus Ruanda mit Fotos von ihrem ersten Schultag weiterleitet, als wenn ich eine Mitteilung per Mail erhalte.

// Die Unternehmen müssen sich auch von dem Irrglauben verabschieden, dass Mailings nur dazu da sind, Käufe zu generieren und  Cross- und Up-Selling zu realisieren. Das Mailing der Zukunft wird mehr sein als ein Response-Generator. Seine Kraft wird im Sowohl-als-auch bestehen: Sowohl Verhalten auszulösen, als auch Image zu bilden. Viele wissen, wie positiv Kunden reagieren, wenn man eine Danke-Aktion per Postkarte oder Brief lanciert.  Eine Aktion, bei der man einmal nichts verkauft, sondern dem Kunden nur für seine Treue dankt. Danke – es ist erstaunlich, wie gross die Wirkung dieses kleinen Wortes sein kann.

// Wer glaubt, das würde sowieso alles in den Papierkorb wandern, muss sich eines Besseren belehren lassen: Ein Teil der adressierten Werbung – rund 17 % – wird tatsächlich direkt entsorgt. 26 % wird grob überflogen, 30 % quergelesen und immerhin 27 % vollständig gelesen. Das ist - im Vergleich zum Internet - sehr viel. Denn eines sollte man bedenken: Die gesamte Wahrnehmung des Menschen wird durch Sinnessysteme kanalisiert. Online-Medien können von fünf Sinnen nur zwei bedienen. Das Mailing ist in der Lage, alle fünf Sinne zu bedienen. Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken, Riechen: das sind Schüsse, die direkt ins Gehirn gehen und dort auf einer Art Sinnesrecorder aufgenommen und abgespeichert werden.

DIE LESER VON PRINT GEHEN MIT TEXTEN ANDERS UM, ALS DIE NUTZER DES INTERNETS, DIE TEXTE NUR SCANNEN

// Und noch etwas ist wichtig: Die Leser von Print gehen mit Texten anders um, als die Nutzer des Internets. Die Lesegeschwindigkeit von Papiertexten ist um 25-30 Prozent höher, als von Bildschirmtexten. Texte im Internet werden oft überhaupt nicht gelesen, sondern lediglich gescannt. Und die Wahrnehmung reduziert sich nur auf wenige Satzfragmente.

// Ich will damit nicht den Eindruck erwecken, es ginge an der Verkaufsfront um Print oder Online. Es geht um Print plus Online und um hybride Werbeformen,  die Prospekt, Mailing und Internet, die On- und Offline verzahnen. Schnell beim Kunden sein. Im richtigen Moment hin und zurück. Mit QR-Codes, die das lästige Abtippen ersparen. Mit Augmented Reality, um gedruckte Inhalte in Bewegung zu setzen. Oder mit der Personal Url, die der Kunde per Postkarte erhält und die ihn auf eine personalisierte Homepage mit Rückmeldung an den Verkäufer führt.

// Und wenn man Print als Verbindungsglied zur Onlinewelt einsetzt, hat selbst der tot geglaubte Massenversand noch Zukunft. Vielleicht liegt hier sogar der Schlüssel zu einer ökonomischen Maximierung der One-to-One-Formel. Denn Werbung wird besonders effizient, wenn sie sich verselbstständigt und dem One-to-Some Prinzip der Nachrichtenverbreitung folgt. Und die Inszenierung eines Schwarms zeigt erst, welches Potenzial in den Menschen, derBranche, den Medien und dem Markt steckt. Man braucht nur an Street Parades zu denken, an Fussballstadien und Fanzonen. All das belegt, dass nicht nur Bienen und Zugvögel, sondern auch Menschen in Schwärmen denken und sich Schwarmtrends anschliessen können. Und wenn man jetzt hunderttausend Hundebesitzer nimmt, ist das zunächst lediglich eine statistische Grösse. Aber hunderttausend Hundebesitzer per Mailing auf die Homepage des Futterherstellers dirigiert, eingeloggt und mit dem Callcenter verknüpft - so könnten interaktive Marktplätze in Zukunft funktionieren.

WER NACHHALTIGE WIRKUNG ERZEUGTEN WILL, BRAUCHT RELEVANTE INHALTE UND PERSONALISIERTE KOMMUNI-KATION

// Es muss auch bei der Erstansprache nicht partout alles personalisiert sein. Ich sehe keinen tieferen Sinn in der Personalisierung eines Gutscheins, den man mir auf dem Flug nach London in die Hand drückt, damit ich am Heathrow Airport einen SIXT-Mietwagen mit 10 Prozent anmieten kann.Und ich reagiere immer ausgesprochen erleichtert auf die Feststellung, dass die Probepackung Hakle-Feuchttüchter, die ab und zu  in meinem Briefkasten landet, nicht personalisiert wurde. Trotzdem müssen wir uns natürlich über das Marketing-Credo der Zukunft im Klaren sein: Wer machhaltige Wirkung erzeugen will, muss personalisierte (Dialog-) Kommunikation einsetzen und Marken über Primärerfahrungen erlebbar machen. Muss gute Gefühle vermitteln. Keinen Geiz. Keinen Neid. Keine Trübsal. Werbung muss den Menschen Lust machen,  wieder das Lachen zulassen und Leidenschaften wecken. Vorzugsweise in ganzen Sätzen. Und nicht im Esperanto der virtuellen Welt, wo viele sich so cool verständigen, als könnten sie zwischen den Abkürzungen noch Eiswürfel spucken.

Der US Postal Service hat vom Center for Neural Decision Making der Temple University untersuchen lassen, wie Kunden auf physische bzw. digitale Werbemittel reagieren. Mit unterschiedlichen Ergebnissen, je nachdem, um welches Marketingziel es geht.
Geht es um Aufmerksamkeit, liegen die digitalen Werbemittel vorne. Die Konsumenten verarbeiten diese schneller. Mit physischer Werbung beschäftigen sie sich allerdings länger. In Sachen Engagement liegen beide Kanäle laut Studie gleichauf. Emotionaler reagieren Kunden, wenn sie sich mit physischen Werbemitteln beschäftigen. Bei der Werbeerinnerung zeigt sich ein differenziertes Bild: Den Inhalt und den Absender vermitteln sowohl physische als auch digitale Werbeträger gleich gut, schneller geht es allerdings bei physischen Reizen. In Sachen Kaufbereitschaft zeigten beide Kanäle eine ähnliche Wirkung. Ein unterbewusstes Verlangen nach einem Produkt oder Service lösen vor allem physische Werbemittel aus; zudem vermitteln sie einen höheren Wert.

Autor: Friedhelm Lammoth © 2015 Lammoth Mailkonzept // CH-St. Gallen // Foto: Fotolia - frender

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